Reise 2009-2010: Die Panamerikana - auf der Traumstraße der Welt
Bericht 013


21.12. -
24.12.09

Auf der Carretera Austral

 

 

 


21. Dezember: Nach Puerto Rio Tranquilo

Der Regen hatte aufgehört, doch die Wolken hingen noch in den Bergen. Das hinderte uns nicht, den heutigen Abschnitt ebenso zu genießen wie den gestrigen. Es ging weiter am See entlang und das Höhenprofil wird heute ähnlich aussehen wie das gestrige. Doch wir sind langsam Profis im Fahren von steilen Strecken auf Waschbrettschotter, so konnten wir uns den Ausblicken widmen, die manchmal an Norwegens Gebirgsstrecken, manchmal an den Tienshan in Asien erinnern.

Lupinenfelder zauberten blaue Farbteppiche in die Landschaft. Gelbe Büsche fassten die unwirtliche Schotterpiste mit einer Wolke von Blüten ein. Es waren so etwas wie Buschlupinen, mehrere gelbe Lupinendolden an einem Stängel.

Vermehrt tauchte Bambus auf, den wir anfangs überrascht, dass es ihn hier gibt, dann immer mehr mit gemischten Gefühlen betrachteten, da wir wussten, wie sehr er wuchert. Im weiteren Verlauf der Straße sollte sich dieses Gefühl als richtig erweisen, denn wir stießen auf Wälder, die völlig von meterhohem Bambus erobert waren.

Dann bogen wir in die Ruta 40, die Carretera Austral, ein. Sie ist das Pendant an Berühmtheit zur argentinischen Ruta 3.
Die Carretera Austral ist eine rund 1.350 Kilometer lange Straße von Puerto Montt nach Villa O'Higgins an der Südgrenze der Región de Aisén. Lange Zeit war der Süden Chiles nur per Flugzeug oder Schiff zu erreichen. Der Panamericana-Highway führte nicht durch diese unwegsame Gegend, sondern über Argentinien nach Feuerland; der Grund liegt in der dichten Bewaldung des Gebietes, wohingegen das argentinische Patagonien sehr karg ist und somit weitaus leichter zu bebauen.
1976 begann Diktator Augusto Pinochet mit dem Bau der Carretera Austral. Sie bildete das aufwendigste Großprojekt in Chile im 20. Jahrhundert. Ausgangspunkt für den Bau war die Stadt Puerto Montt. Mehr als 10.000 Soldaten wurden zeitweise für den Bau eingesetzt. Der Straßenbau erwies sich als äußerst schwierig, da die Landschaft von Fjorden, Gletschern und Gebirgszügen durchzogen ist.
Mehr als 20 Jahre wurde an der Straße gebaut. Der Bau kostete rund 200 Millionen Dollar. Trotzdem sind viele Teile nur einfache Schotterpisten, die Wartung und Pflege erweist sich als aufwändig und kommt oft den Schlaglöchern nicht hinterher, wie wir leidvoll erfuhren.

Wir waren froh, als wir Puerto Rio Tranquilo, ein verschlafenes Nest aus den üblichen Holzhäusern im Kleingartenformat, erreichten Unseren Übernachtungsplatz am See konnten wir nicht genießen, schwarze Wolken, Regen und Wind zwangen uns in die Autos. Einige Unentwegte machten trotzdem eine Bootsfahrt zu den Marmorinseln.


22. Dezember: Nach Villa Cerro Castillo

Heute verließen wir den zweitgrößten See von Südamerika, dessen "Höhen und Tiefen" wir an seinen Ufern erfahren hatten. Natürlich war unsere bevorzugte Straße wieder die Schotterpiste. Inzwischen hatten wir uns daran gewöhnt, nur in Tempo 20 - 25 km/h zu fahren und mussten uns nicht dauernd korrigieren wenn die Zähne zu klappern anfingen. Ein gemütlicher Fahrtag lag vor uns, nur 100 km. Doch bei Tempo 25 sind auch das vier Stunden Piste. Wir kommen an abgestorbenen Wäldern vorbei, die von dem Vulkanausbruch des Hudson 1991 stammen. Die Asche ist noch teilweise sichtbar.

Doch dann erwartete uns wieder ein dichter Wald, der fast die Straße zurückeroberte. Dann: das sind doch Fuchsienblüten! Sie wachsen an ca. 3 m hohen Bäumen! Ich kenne sie nur als Kübelpflanze. Ich lernte, dass zur Fuchsie etwa 100 Arten gehören, von denen die meisten aus den Bergwäldern Mittel- und Südamerikas stammen. Einige Arten werden mehrere Meter hoch!

Am Wegesrand hätten wir fast eine kleine gelbe Blume auf einem hohen Stängel übersehen. Das spanische Blumenbuch sagte, dass es sich um die Calceolaria biflora handelt, auf englisch lady´s slipper. Da fing die Verwirrung an. Der Frauenschuh ist eine ganz andere Pflanze. Wir nehmen an, dass die wissenschaftliche Bezeichnung die richtige ist und dann ist es eben eine Pantoffelblume. Sie kommt nur in Südamerika vor.

Doch noch nicht genug mit der Naturbeobachtung. Ein Stück weiter sitzen zwei große bunte Vögel auf der Straße und verspeisen genüsslich ein überfahrenes Tier. Unser Vogelbuch sagt uns, dass es um einen Caracara handelt, einen Schopfkarakara.

Der Schopfkarakara (Polyborus plancus) gehört zu den Geierfalken. Er ist 55 - 60 cm lang und hat eine Flügelspannweite von 125 cm. Die Männchen sind kleiner als die Weibchen. Ihn kennzeichnet ein großer Kopf, ein langer Schwanz und breite Flügel. Der Vogel ist großteils braun gefärbt, mit schwarzem Scheitel, weißem Hals und nacktem rotem Gesicht. Brust, Handschwingen und Schwanz sind deutlich schwarz und weiß gebändert.

Lange schauten wir ihm zu und schossen viele Bilder.

Irgendwann kamen wir zu unserem Campingplatz im Wald. Um uns herum weideten Schafe, in einem Gehege konnten endlich einmal Lamas aus der Nähe betrachten, ihre Puschelohren und langen Wimpern bewundern und einem drei Tage alten Lamababy bei seinen Stöckelversuchen zuzuschauen.

Unser eifriger Feuermeister Günter bescherte uns einen gemütlichen Abend in einer Grillhütte mit offenem Feuer bei Wein. Es wurden viele Weine probiert!


23. Dezember: Zum Lago Las Torres

Der Morgen überraschte uns mit Schnee. Nun sagt nicht "na und, hier schneit es auch, es ist schließlich der 23. Dezember, pünktlich zu Weihnachten!" Was würdet ihr sagen, wenn es in Norddeutschland am 23. Juni schneien würde? Vor zwei Tagen war schließlich hier Sommeranfang!

Es schneite immer dichter. Wir hatten einen 1.100 m Pass zu überwinden, der uns 10 cm Schnee bescherte. Nun hatten wir mal ein kurzes Stück Asphalt und dann Schritt fahren! Hinter dem Pass hörte der Schnee bei 500 m auf. Das Wetter lockte nicht zum Pause machen, so fuhren wir bis Coyhaique, einer Stadt mit immerhin 45.000 Einwohnern. Hier sollte am fünfseitigen Zentralplatz Wifi sein, es funktionierte aber nicht, so dass ich über das Handy noch Bilder verschicken konnte, was hier in Chile endlich wieder möglich ist - vorausgesetzt, man hat ein Netz! Dabei touchierte mich ein Chilene leicht an der Stoßstange des Wohnmobils, was zum Glück kaum zu sehen ist, so dass mir Ärger mit dem Aufnehmen des Schadens erspart blieb.

Am Lago Las Torres bezogen wir unseren Stellplatz auf einem kleinen Campingplatz direkt am See. Ich liebe diese einfachen Plätze, die außer einer Standfläche und schöner Aussicht nichts bieten! Durch den Dauerregen war der Platz so matschig, dass wir Wege aus Bauholz legen mussten und das abendliche Briefing per Funk abgehalten wurde.


24. Dezember: Nach Puyuhuapi

Heute ist Heiligabend. Was macht man da am besten? Man fährt weiter auf der Carretera Austral, natürlich auf Schotterpiste und zu Weihnachten ist sie mit steilen Steigungen und Gefällestrecken verziert.

Die Landschaft ändert sich, wir fahren durch das größte zusammenhängende gemäßigte Regenwaldgebiet Südamerikas. Gemäßigte Regenwälder stehen vorwiegend an der chilenischen Pazifikküste, hier heißt es valdivianischer Regenwald. Er ist ein weltweit einzigartiges, immergrünes, kaltgemäßigtes Ökosystem von der chilenischen Pazifikküste bis an den Rand der Andenkette. Die Jahresmitteltemperatur liegt zwischen 11 und 12°C und die Niederschlagsmengen betragen bis über 2.400 mm jährlich, bei ständig hoher Luftfeuchtigkeit und einer hohen Zahl an Regentagen. Prägende Bestandteile der vielfältigen Flora sind insbesondere die "Südbuchen" (Nothofagus, unseren Scheinbuchen ähnlich) und Zypressengewächse (Chilezeder, Patagonische Zypresse). Demgegenüber ist die Fauna weniger artenreich.

Gemäßigter Regenwald kommt vor allem an der Westküste Nordamerikas, in Chile sowie auf Tasmanien und Neuseeland vor. Der Name bezieht sich auf seine Lage in den gemäßigten Klimazonen.

Natürlich passte auch das Wetter zum Gebiet und so empfanden wir es als schönes Weihnachtsgeschenk, dass wir kurz vor Puyuhuapi am Fjord Seno Ventisquero zu dem Thermalbad Termas Ventisquero kamen und uns direkt am Fjord in dem 40° warmen Wasser rekeln konnten. Ein Otter schickte uns Weihnachtsgrüße aus dem Fjord.

So kamen wir gut durchgewärmt in Puyuhuapi an. Unsern vorgesehenen Stellplatz hatte der Regen unbrauchbar gemacht, so stellten wir unsere Womos im Dorf auf der Straße ab.

Den heiligen Abend wollten wir mit einem gemeinsamen Essen im Café Rossbach feiern. Drei Riesentruthähne und etliche Salate zu Wein und Bier bildeten die Grundlage des Abends. Wichtelgeschenke wurden verteilt und Rita und Wolfgang brachten den Saal mit Bildern, gestaltet von Menschen, zum Lachen.

Wir wünschen allen Freunden und in Gedanken mit uns Reisenden ein frohes Weihnachtsfest!