Am Sonntagabend ging die Gruppe zum ersten Mal vollzählig zur Gruppe
Piazolla Tango in der Galería Güemes. In einem ehemaligen
Theater wurde eine Tangoshow in Perfektion gezeigt, nachdem wir uns an
einem opulenten Menü gestärkt hatten. Eine perfekte Show, doch mir hat
die Show vor zwei Tagen besser gefallen.
Nun haben wir noch viele Tage selbst bestimmter Zeit.
Den Montag nutzten wir zu einem Bummel durch die Stadt, wir mussten
einige Besorgungen erledigen und wir lieben es, in einem Straßencafé zu
sitzen und in Muße die Hektik um uns herum zu beobachten. Unter einem
strahlend blauen Himmel sind die Jakarandabäume voll erblüht und ihre
blauen Blütenwolken geben den grauen Straßen einen frühlingshaften Touch.
Wie immer herrscht ein mehr oder weniger geordnetes Chaos. Mehr Stopp
als Go, so dass die Autofahrer immer auf der Bremse stehen und, da die
Hupe wohl mit der Bremse gekoppelt ist, herrscht ein ohrenbetäubendes
Hupkonzert, das außer uns keinen zu stören scheint.
Wir sitzen hier in Buenos Aires noch immer fest. Die Ankunft der Wohnmobile
ist nun für Donners-tag vorgesehen. Da der Zoll dann noch zwei Werktage
braucht, können wir vielleicht erst am 23. unser Wohnmobil erhalten.
Aber bis jetzt tragen wir es noch alle mit Humor. Nur würden wir freiwillig
nie drei Wochen in so einer großen Stadt verbringen.
Die Mädchen hier sind klein und zierlich mit tollen Figuren und wunderbaren
Haaren, sehr schön anzusehen. Argentiniens Tango ist in das Unesco Weltkulturerbe
aufgenommen worden. Die stolze Haltung beim Tanz sagt auch viel über die
Menschen hier. - Die Menschen sind sehr freundlich und aufschlossen.
Seit 2001 - der großen Krise hier - haben viele Menschen ihre Arbeit verloren.
Und so sind die "Cartoneros" entstanden. Jeden Abend stellen die Firmen
ihren Abfall in großen Beuteln auf die Straßen. Das sieht wahnsinnig aus.
Dann kommen die "Cartoneros", das sind Menschen, die die Abfälle direkt
an Ort und Stelle sortieren und brauchbare Kartons, Dosen oder Plastik
mitnehmen. Der Rest wird dann wieder grob zusammengepackt. Du kannst dir
vorstellen, dass dann Vieles noch liegenbleibt, bis dann ganz früh morgens
die Müllabfuhr den Rest abholt. Es ist also nachts sehr dreckig in der
Stadt. Aber am nächsten Morgen ist alles wieder aufgeräumt. Anscheinend
aber ein System, dass vielen Menschen eine Existenz erlaubt.
In jeder Großstadt wurden wir vor Dieben gewarnt, hier haben wir sie zum
ersten Mal erlebt. Einem von uns wurde das Handy vom Gürtel geklaut, beim
Aufmachen des Kängurubeutels wurde der Dieb bemerkt, er konnte jedoch
entkommen. Hier ist es üblich, mit einer senfähnlichen Drecksoße überschüttet
zu werden, ein gut gekleideter Dritter will mit einem Tuch beim Abwischen
helfen. Wenn man das zulässt, sind die Taschen leer. Doch wir waren vorher
gewarnt und entfernten den Dreck lieber selber.
Dienstag. Wir müssen wieder mit Sack und Pack umziehen, das El
Conquistador ist belegt. Es geht zurück in unser bescheidenes Hotel Diplomat.
Es wird hoffentlich der vorletzte Umzug sein. Der nächste sollte dann
ins Wohnmobil gehen. War der Himmel gestern strahlend blau, die Temperatur
warm, so ist es heute grau, es schüttet, dabei ist es unerträglich schwül.
Jeanette und Uwe sind heute Nacht nach Uruguay gefahren. Die 6-monatige
Aufenthaltsgenehmi-gung ihres Wohnmobils war abgelaufen und kann nur durch
eine Ausreise und wiederholte Einreise erneuert werden. Auch eine Auswirkung
der Schiffsverspätung! Doch warum sollte auch alles glatt gehen? Die Fähre
nach Uruguay hatte einen Motorschaden und war durch eine andere er-setzt
worden, die aber nur Autos bis 1,5 Tonnen mitnehmen kann, was bedeutete,
dass die Beiden heute in der Nacht auf einem über 500 km langen Landweg
auf dem Weg nach Uruguay gemacht haben, da die untere der zwei Brücken
über den Rio de la Plata schon seit einem Jahr bestreikt wird. Diesen
Weg müssen sie dann auch wieder zurück. Warum sollte jetzt was mal einfach
gehen? Ein Aufenthalt von 48 Stunden in Uruguay ist nötig, oder ein anderer
Grenzübergang muss gewählt werden, was natürlich wieder mehr Kilometer
be-deutet. Aber nur die zweite Möglichkeit kommt in Betracht, soll doch
endlich am Donnerstag die Grande Buenos Aires kommen!
Wieder ist von einem, wenn auch missglückten, Diebstahl zu berichten.
Günter bemerkte, wie ihm das Portemonnaie aus der Hosentasche gezogen
wurde. Blitzschnell drehte er sich um und hielt eine junge Frau fest,
die aber trotz großem Geschrei das Portemonnaie nicht herausgeben
wollte. Aber ihre Bluse wölbte sich über dem Bauch und ein Faustschlag
auf den Bauch ließ seine Geldbörse auf die Straße purzeln.
Die Passanten kümmerte das nicht, nur einer sagte Bravo und dass
das ganz normal hier sei.
Mittwoch. Den heutigen Tag verbrachten wir Muße. Wir machten uns
zu Fuß auf in das Museo de Bellas Artes und schauten uns eine Ausstellung
über Pop Art an. Man stelle sich vor, ich in einer Gemäldesammlung!
Donnerstag. Heute mussten wir zum Zoll und einige Papiere unterschreiben.
Es wird Ernst, die Grande Buenos Aires soll 60 km vor dem Hafen stehen
und noch heute einlaufen. Ein Tag müssen die Womos dann beim Zoll stehen
(warum weiß keiner), so dass wir hoffen, am Samstag endlich losfahren
zu können. Wird auch Zeit, langsam steht mir die Großstadt bis zum …
Wieder einmal war die Auskunft von Grimaldi falsch. Im aktuellen Fahrplan
im Internet
www.b2b.grimaldi.co.uk/webdata/sched_sa.htmsteht schon eine andere
Zeit: Buenos Aires 20. November. Das
bedeutet, dass wir vor Montag, den 23. unsere Wagen nicht bekommen werden!
Freitag, 20. November. Die Buenos Aires
liegt im Hafen! Unsere Autos sollen tatsächlich an Bord sein
und wir richten uns darauf sein, sie am Montag zu übernehmen. Jetzt ist
das mulmige Gefühl besonders stark, denn sie stehen unverschlossen im
Hafen und das bei dieser Diebstahlsrate.
Samstag, Sonntag: Jetzt, wo der Anfang der Reise endlich bevor
steht, laufen wir ziemlich lustlos durch die Stadt und merken überdeutlich,
wo uns die Großstadt steht. Nie würden wir freiwillig län-ger als ein
paar Tage in irgendeiner Großstadt verbringen! Der Lärm nervt, der Gestank
ebenso, uns hätten zwei Besichtigungstage genügt. Dazu kommt der Gedanke,
dass uns diese drei Wochen später in Nordamerika fehlen werden, denn die
Deadline November 2010 bleibt bestehen.
Buenos Aires ist keine Stadt, die wir gern noch einmal besuchen würden,
im Gegensatz zu Sydney oder Istanbul. In keiner Stadt ist uns die Armut
so hautnah vor Augen geführt worden wie hier, so viele Obdachlose mit
Kind und Kegel auf den Straßen, so viele bettelnde Kinder. Dagegen in
den Shoppingmalls Modegeschäfte, in denen wie wild gekauft wird. Jeden
Mittag sind die Restaurants übervoll und vor den Türen warten die Armen
…Ich finde, hier wird einem der Gegensatz konzentrierter vor Augen geführt.
Es wird Zeit, dass ich wieder Land sehe, Weite und Ruhe spüre. Ich bin Wohnmobilist geworden, um der Stadt zu entfliehen, stattdessen bin ich hier gefangen.
Ein paar letzte Bilder von Buenos Aires:
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