Reise 2008 in die Vergangenheit: In das Land der Pharaonen

Bericht 10



Man sollte sich auf die richtigen Beweggründe des Reisens besinnen, sich selber vergessen und im Namenlosen untertauchen. In der Heimat genießt man ein bestimmtes bürgerliches Ansehen, man ist gebunden durch Vorschriften, Gewohnheiten und Pflichten, und so ist es der eigentliche Vorwand des Reisens, in eine Lebensgemeinschaft einzutreten, in der man ein x-beliebiger Mensch ist und nichts weiter.
Kung-Fu-Tse (551 v.Chr.)


04.12. - 07.12.08

Durch Tunesien


04.12. Nach Matmata

N33°32'30,6" E009°58'22,7" Höhe 395 m
Tages-km: 282
Der Morgen war wieder ruhig, aber wir standen in einem See. Die Gullys konnten die Wassermassen nicht bewältigen. Es war kalt, aber die Sonne schien.

Es stand uns die Ausreise aus Libyen und die Einreise nach Tunesien bevor, die "erstaunlich" schnell und unkompliziert sein sollte. Um 9 Uhr hatten wir den Libyern unsere Pässe und das Carnet übergeben, um 10 Uhr waren wir alle durch und es hat keinen Sous gekostet.

Die tunesische Grenze war dann ebenfalls unkompliziert, um 11:30 Uhr waren alle durch - bis auf einen. Dem armen Kerl hatte man vor zwei Jahren in Tunesien das Auto ausgeräumt, das stand nun im Computer und er wurde behandelt, als hätte er das Auto ausgeräumt. Eine aus der Gruppe, die französisch gut genug sprach, um zu dolmetschen und Simone blieben bei ihm. Wir anderen waren von der Leine gelassen und konnten losfahren.

Endlich keinen Konvoi mehr! Was haben wir das genossen. Freie Sicht nach vorn, fahren so schnell wie wir wollten. Halten wo wir wollten. Herrlich!

Jetzt ist endgültig der Winter eingekehrt. Blauer Himmel, aber ein kalter Wind, so wie wir es aus früheren Zeiten in Tunesien schon kannten. Die Socken sind nun ständig im Einsatz, auch ein Pullover ist nun die richtige Wahl.

Nun ging es durch bekannte Gegenden. Das letzte Mal waren wir 1995 auf Djerba und sind mit einem Auto hier rumgefahren. Wir stellten fest, dass es ein ganz anderes Gefühl ist, mit einem Wohnmobil auf eigenen Rädern in dieses Land zu kommen, als mal eben herüber zu jetten. Das Unwetter hatte auch hier seine Spuren hinterlassen, überall waren Tümpel zu sehen, in den Dörfern standen Straßen unter Wasser.

Langsam ging es bergauf bis auf 600 m. Wir kamen in die Gegend, in der einige Einstellungen von Star Wars gedreht worden sind. Wir haben sie nicht wieder erkannt, vielleicht sollte ich mir die Filme jetzt mal ansehen! In Matmata bezogen wir unseren Stellplatz am Höhlenhotel Marhala. Bei einem Rundgang besuchten wir eine Höhlenwohnung. Diese Wohnungen sind bis zu 900 Jahre alt. Bei so einer Wohnung wird ein Trichter von ca. 8-10 m Durchmesser und 10 m tief in den Lehm gegraben. Am rund oder, per Leiter erreichbar, höher, werden die Wohn- und Arbeitskammern in den Lehm gegraben. Am Grund der Höhle fängt eine Zisterne das eventuelle Regenwasser auf. Der Vorteil dieser Wohnungen: sommers wie winters konstante Temperaturen.

Eine dieser Höhlenwohnungen ist noch als Star Wars Requiste erhalten mit viel Plastik und wird als Café genutzt. Wenn da nicht Star Wars Plakate hängen würden, würde man es für einen Abstellraum von alten Plastikröhren usw. halten.

Am Abend luden Simone und Ingo (Gute Besserung!) zu einem tunesischen Essen in das Höhlenhotel ein. Es gab ein leckeres Couscous und endlich auch wieder ein Bier, tunesisches Celtia.


05.12. Nach Kairouan

N35°41'08,3" E010°05'50,1"
Tages-km: 266
Heute Morgen waren es im Auto 5°! Zum ersten Mal machten wir die Heizung an und wärmten uns mit dem Gedanken, dass es zu Hause wesentlich kälter ist. Der Himmel war nicht mehr strahlend blau sondern eisblau! Es dauerte lange, bis die Sonne es schaffte, im Windschatten eine erträgliche Wärme zu schaffen. Deshalb ließen wir uns viel Zeit bei unserem Kaffee.

Wir verabschiedeten uns von Ilona und Reinhard, die noch zwei Wochen dranhängen wollen.

Zehn kleine Negerlein, die fuhr´n um´s Mittelmeer,
die Schweizer durften nicht nach Libyen rein, da waren´s nur noch neun.
Neun kleine Negerlein, die kamen nach Tunesien,
der Willi wollt so lang nicht Fähre fahr´n, da waren´s nur noch acht.
Acht kleine Negerlein, die kamen nach Matmata,
die Ilona wollt mehr nesische Küche hab´n, … da waren´s nur noch sieben!

Das Amphi-Theater von El Djem hatten wir schon früher ausgiebig angeschaut, so fuhren wir den direkten Weg nach Kairouan. Überall an der Straße wird das Opferfest vorbereitet. Die Restaurants schlachten auf der Straße mengenweise Schafe, die nächsten sind daneben angebunden. Das Fell wird über eine Stange gehängt als Zeichen, dass hier frisch geschlachtet wurde. Der Nachschub wartet schon, Viehmärkte finden an jeder Kreuzung statt, längs der Straße werden weitere Schafe und Ziegen angeboten. Die Grills sind in Betrieb, doch sie reizen uns nicht. Das Fleisch wird zu schnell gegrillt, so dass es außen schwarz und innen roh ist. Aber das bunte Treiben ist spannend anzusehen.

Das Id ul-Adha ("Opferfest") ist das höchste islamische Fest. Es wird zum Höhepunkt der Hadsch gefeiert, der Wallfahrt nach Mekka, welches jährlich am Zehnten des islamischen Monats Dhu al-hidscha ist und vier Tage andauert. Aufgrund des islamischen Mondkalenders kann das Opferfest zu jeder Jahreszeit stattfinden, die Verschiebung findet rückwärts im Sonnenkalender um meist 11 Tage statt, in diesem Jahr ist es der 8. Dezember. Beim Opferfest wird des Propheten Ibrahim (Abraham) gedacht, der die göttliche Probe bestanden hatte und bereit war, seinen Sohn Ismail (im Christentum Isaak) Allah zu opfern

Hier in Tunesien sieht man endlich auch wieder vermehrt Mädchen und Frauen ohne Kopftücher. Was sehen die langen glänzend schwarzen Haare gut aus!

Die ganze Strecke nach Kairouan ist Olivengebiet. Bis zum Horizont erstrecken sich die Olivenhaine. Dann kommen Paprikafelder hinzu, die sich auch unter die Olivenbäume ziehen. Die Paprika werden, auf Schnüre aufgezogen verkauft. Ganze Hauswände hängen voll davon. Auch lässt man sie trocknen. Leider sind sie nicht trocken genug, um sie in unseren feuchten Norden mitzunehmen. So bleibt uns nichts anderes übrig, als uns auf das Pulver zu beschränken.

Wir bezogen unseren Stellplatz am Hotel Continental gegenüber den Aghlabiden-Bassins.


06.12. Nach Nabeul

N36°26'33,6" E010°42'55,7"
Tages-km: 116
Der Stadtrundgang durch Kairouan begann bei den Aghlabiden-Bassins gleich gegenüber unserem Stellplatz. Diese runden Wasserbecken mit einem Durchmesser von 27 und 128 Metern stammen aus dem Jahr 862 n. Chr. und wurden damals durch einen Aquädukt aus den nahe liegenden Bergen gespeist. Sie haben ihren Namen von den Aghlabiden, einer arabischen Dynastie, die von 800 bis 909 im Gebiet von Tunesien regierte.

Die Barbiermoschee ist eine Koranschule und Herberge für Pilger. Ein Heiliger ist hier begraben, der immer drei Barthaare des Propheten bei sich getragen haben soll, daher der Name der Moschee. Sie ist wundervoll verziert mit schönen Fayencen, Stuck und Schnitzarbeiten an Decken und Türen, die aus Zedernholz bestehen. Diese Fayencen wurden in Nabeul hergestellt, daran erkenntlich, dass nur die Farben grün, blau und gelb verwendet wurden, nie rot.

Die Große Moschee ist ein Glanzstück arabischer Baukunst. Der Innenhof ist von einem doppelten Säulengang umgeben. Der einzige Schmuck des Gebetsaales sind Säulen aus den verschiedensten Gesteinsarten. Sie ist die größte Moschee Tunesiens.

Kairouan ist eine Stadt mit ca.120.000 Einwohnern. Ihre Bedeutung liegt heute in ihrer Geschichte als Zentrum islamischer Gelehrsamkeit bis zum 11. Jahrhundert. Heute ist Kairouan die fünfte heilige Stadt des Islam nach Mekka, Medina und Jerusalem. 220 Moscheen gibt es hier!

Die 116 km nach Nabeul fuhren wir nicht auf der Autobahn, sondern genossen noch einmal die Vorbereitungen zum Opferfest. Noch nie habe ich so viele Schafe an einem Tag gesehen, wie hier an die Straße getrieben wurden und auf Käufer warteten! In Yasmine Hammamet tranken wir einen Kaffee Jachthafen zwischen Hotelburgen, die fast ausgestorben waren und fragten uns, was wir hier wollten und waren glücklich, dann wieder in unserem Womo zu sitzen. Gleich um die Ecke Richtung Hammamet konnten wir dann an einem Hammelmarkt stoppen und waren wieder in der richtigen Welt.

In Nabeul bezogen wir zum Abschluss dieser Reise einen bezaubernden Stellplatz im Orangenhain des Hotels Jasmine. Die Orangen winkten zum Fenster hinein, dazu schien die Sonne, so dass wir noch einmal unter Orangenbäumen zusammen sitzen konnten.

Der Abend fand uns alle im Restaurant Slovenia. Es gab sogar Schweinshaxe und Sauerkraut für die, die Heimweh hatten.


07.12. Nach La Goulotte

N36°48'35,3" E010°18'15,4"
Tages-km: 80
Nabeul ist eine Stadt mit ca. 50.000 Einwohnern. Schon zur punischen und danach in der römischen Zeit lag hier eine Hafenstadt. Der heutige Name Nabeul leitet sich vom römischen Namen Neapolis ab. Die Stadt ist ein beliebter Touristenort und gilt in Tunesien als Zentrum für Töpferei- und Keramikkunst. Des Weiteren werden im Umkreis der Stadt kunstvolle Kacheln und bearbeitete Natursteine und Parfüme hergestellt. Zudem ist die Landwirtschaft ein bedeutender wirtschaftlicher Faktor für die Stadt. In ihrem Umland werden Zitrusfrüchte, Blumen und Weinstöcke angebaut. Ein Rundgang zeigte uns die keramische Produktion, in der viel touristischer Kitsch enthalten ist.

Um 16 Uhr fuhren wir die letzten Kilometer auf afrikanischem Boden zum Hafen La Goulotte. Eigentlich sollte ab 18 Uhr verladen werden, doch erst um 20 Uhr begann die tunesische Pass- und Zollkontrolle, die sich im Wesentlichen (außer einem Stempel im Pass) auf die Kontrolle des Wageninneren (auch unter der Matratze!) und des Unterbodens bezog, um festzustellen, ob wir zusätzliche Passagiere an Bord hätten. Diese Prozedur wiederholten die Italiener noch zweimal und gingen mit ihren gebügelten Hosen im schmutzigen Hafenpflaster auf die Knie. Endlich um 24 Uhr hieß es Leinen los. Wir verließen Afrika und unser afrikanisches Abenteuer war endgültig zu Ende.

Ein zauberhafte Episode: Während der Wartezeit sprach mich ein Englänger an, der auch mit dem Womo dort war und meine Karte am Heck mit Interesse betrachtet hatte und fragte mich, ob auf dieser Reise nach Beijing eine Irene dabei war. Als ich das bejahte, lud er mich in sein Womo ein und zeigte mir einen Artikel in der englischen Wohnmobilzeitschrift MMM (www.outlandaboutlive.co.uk) vom Oktober 2008, in der Irene und Albert einen langen Bericht über die China-Reise geschrieben haben. Er gab mir den Artikel mit. Welch erinnerungsreiche Lektüre! Danke Irene!


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